Lernen, auch mal nein zu sagen

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Die Tochter ruft an und fragt, ob Sie kurzfristig Zeit haben, um auf Ihr Enkelkind aufzupassen. Ihre Antwort lautet natürlich: „Ja klar, kein Problem!“. Eigentlich hatten Sie einen Spaziergang mit der Nachbarin geplant, um anschliessend noch gemeinsam eine Tasse Kaffee in Ihrem Lieblingscafé zu trinken. Doch dank des Anrufs ist diese Tour hinfällig, stattdessen passen Sie auf Ihr Enkelkind auf – was natürlich ebenfalls eine grosse Freude darstellt. 

Oder lädt Sie Ihre beste Freundin spontan zum Nachmittagskaffee am nächsten Tag ein? Sie sagen zu, werden jedoch im nächsten Schritt mit der Frage überrumpelt, ob Sie Ihre legendäre Fruchtwähe backen könnten. Ihre Antwort lautet „Ja“, obwohl Sie gar keine Lust haben, die Zutaten für die Wähe zu besorgen und die noch zu backen?

Warum sagen wir so häufig „Ja“, obwohl wir eigentlich mit „Nein“ antworten möchten? Ist es die Angst vor den Konsequenzen, die ein „Nein“ haben könnte? Zudem möchte man dem anderen Gegenüber einen Gefallen erweisen und ihn oder sie unterstützen. 

Lernen „Nein“ zu sagen

Häufig sind es die Frauen, die ein grösseres Problem mit dem „Nein“-Sagen haben. Dies liegt teilweise an der Erziehung in der Kindheit, in der es darum ging, bestimmte Erwartungen gegenüber anderen zu erfüllen. Hinzu kommen die Erwartungshaltung und das Wissen der anderen, dass sie sich auf Sie verlassen können und Sie auch mal spontan helfen. „Ich kann ja die Doris fragen, ich weiss ja, dass die „Ja“ sagt und mir hilft.“ Doch ist es umgekehrt genauso? Können Sie sich ebenfalls auf Ihre Freundinnen verlassen, helfen die Ihnen ebenfalls aus? Dann fällt es um so schwerer, einmal „Nein“ zu sagen. Aber bestimmt mag die beste Freundin oder die Tochter Sie auch dann, wenn Sie ihr eine Abfuhr erteilen und ihre Anfrage mit „Nein“ beantworten. Nutzen Sie die für sich gewonnene Zeit und gehen Sie der Unternehmung nach, die Sie ursprünglich geplant haben. Und vielleicht kommen Tochter und Freundin in Zukunft nicht mehr ganz so spontan mit ihren „Anschlägen“. 

Die Schritte, wie Sie „Nein“-sagen lernen

Verschaffen Sie sich ein Zeitpolster

Werden Sie um etwas gebeten, antworten Sie nicht direkt, sondern verschaffen Sie sich ein Zeitpolster. Denken Sie über die Entscheidung nach und bringen Sie Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse in Ihre Entscheidung ein. Sollten Sie dann doch mit einem „Ja“ antworten, dann ist dieses jedoch weitaus wertvoller für das Gegenüber. Denn die Person hat gemerkt, dass Sie nicht direkt „angesprungen“, sondern mit der Antwort überlegt haben. Und das Zeitpolster kann auch gerne mal einen Tag andauern – einfach um dem Gegenüber mitzuteilen, dass das spontane Einplanen Ihrer Person nicht selbstverständlich ist.

Was kostet das „Ja“-sagen für Sie?

Wie viel Zeit nimmt Ihr „Ja“ in Anspruch? Ist Ihre Verpflichtung nur von kurzer Dauer oder doch etwas zeitaufwändiger? Zeit, in der Sie für andere da sind, die Ihnen wiederum fehlt. Also sollten Sie abwägen, ob Ihre Antwort Ihnen Zeit raubt oder ob Sie die gestellte Aufgabe gerne machen.

„Nein“-sagen mit Argumenten und Alternativen

Auf die Frage der besten Freundin, ob Sie Ihre legendäre Wähe backen können, könnten Sie beispielsweise antworten: „Ich kann dir die Wähe leider nicht backen, besorge aber gerne etwas anderes beim Bäcker!“ Auch die Antwort, dass Sie bereits zu dem Zeitpunkt verplant sind, ist zulässig und ein nettes „Nein“. 

Sie werden sich in manchen Situationen nicht wohlfühlen, wenn Sie mit „Nein“ antworten. Doch um auf Dauer nicht nur für andere da zu sein und nicht ständig verplant zu werden, ist das „Nein“ wichtig. Und wenn es Ihnen gelungen ist, nett und freundlich die Anfrage abzulehnen, dann dürfen Sie auch stolz auf sich sein.

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